PTB

Wissenscampus PTB Braunschweig

Standort
Braunschweig

Jahr
2024

Ausloberin
Staatliches Baumanagement Niedersachsen

Verfahren
offener städtebaulich-freiraumplanerischer Ideenwettbewerb

Platzierung
Anerkennung

Größe
10 ha Wettbewerbsfläche

Team
+ Florian Hultsch
+ Amir Touhidi
+ Alena Homa
+ Nele Ohrdes
+ Zoe Lißner

Landschaftsplanung
//studiofutura

Auszug aus dem Protokoll
“Die Leitidee, den rein funktionalen und stringenten Charakter des Boulevards zugunsten eines attraktiven öffentlichen Raums im Sinne eines Campus auszuweiten wird ausdrücklich gewürdigt. Durch die vor- und zurückspringende Gebäudeanordnung, nördlich und südlich des Boulevards, mit klarer Orientierung hierhin wird der neue Campuscharakter prägnant ausformuliert. Es entstehen attraktive unterschiedlichen Platzsituationen – vom höher frequentierten Forumsplatz bis zum ruhigeren Rückzugsbereich an der Bibliothek. Durch die städtebauliche Setzung des Zentralgebäudes als Hochpunkt in die Blickachse vom Eingang wird ein attraktiver Auftakt geschaffen. Gleichzeitig wird der Besucher ganz subtil in seiner Bewegung in den neu gestalteten Campus gelenkt.”

Ausgangslage
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist das nationale Metrologie-Institut der Bundesrepublik Deutschland mit Hauptsitz in Braunschweig. Es ist mit 1700 Beschäftigten das zweitgrößte Metrologie-Institut weltweit. Daher soll es zum repräsentativen „Wissenscampus” als Schaufenster für jährlich rund 10.000 Besuchenden von Konferenzen, Seminaren und Messen entwickelt werden.

Die Liegenschaft der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) entwickelte sich seit ihrer Gründung am Standort Braunschweig entsprechend der funktionalen Anforderungen. Im Laufe der Jahre sind sehr heterogene ungeordnete Bereiche entstanden. Wald- und Grünbereiche prägen weite Teile des Geländes. Die Gebäude auf der Liegenschaft der PTB sind Ausdruck der jeweiligen baulichen Entstehungszeit. Sie weisen überwiegend kubische Grundstrukturen, welche in Teilbereichen durch spätere An- und Umbauten verunklart wurden, auf. Die Fassaden der Gebäude bestehen überwiegend aus Klinker in roten und rotbraunen Farbtönen.

Städtebauliches Konzept
Kern des städtebaulichen Konzeptes bilden eine Ringstraße für den motorisierten Verkehr, eine ringförmige interne Wegeverbindung für den Fußgängerverkehr, eine zentrale städtebauliche Achse als Boulevard der PTB sowie ein zentraler Campus. Zudem erfolgt eine Vernetzung der größeren Grünräume untereinander.

Die vorhandene Ringstraße wird, wie durch das Entwicklungskonzept von 2019 vorgesehen, im Norden geschlossen. Wenn möglich, sollte der Ringschluss etwas weiter im Norden als im Entwicklungskonzept vorgesehen erfolgen, um größere zusammenhängende Waldbereiche zu erhalten, und hierfür erforderliche Baumfällungen so weit wie möglich zu reduzieren. Hierdurch gibt sich die Möglichkeit, die Bereiche im Inneren des Erschließungsringes weitestgehend frei von motorisiertem Verkehr zu halten, und eine überwiegend ungestörte Vernetzung der vorhandenen Grünräume zu gewährleisten.

Ein zweiter Erschließungsring für den Fußgängerverkehr verläuft innerhalb dieser Grünräume. Er erschließt eine Vielzahl der neuen und bestehenden Gebäude. Es entsteht eine sekundäre Vernetzung im Grünen, die neben der reinen Funktion als Verbindung die Nutzung der Grünräume für Erholungszwecke ermöglicht. Hierfür sind unterschiedliche naturnahe Bereiche zum Verweilen und für Aktivitäten entlang dieses Wegs geplant.  Des Weiteren könnte dieser Naturpfad die Namensgeber der durch ihn erschlossenen Gebäuden thematisieren. Besuchende und Bedienstete der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt spazieren von Einstein zu Gauß und genießen die Phänomene der Natur.

Im Zentrum der Liegenschaft der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt verläuft der Boulevard der Metrologie. Dieser Boulevard ist überwiegend dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten. Er stellt die Anknüpfung zentraler Bereiche mit dem Eingang der Liegenschaft an der Bundesallee sicher. Der Boulevard teilt die Ringstraße in einen nördlichen und einen südlichen Ring. Er spannt sich zwischen dem vom Eingangsbereich der Liegenschaft klar sichtbaren Wissenscampus am westlichen Ende und einem neu zu errichtenden Endpunkt am östlichen Schnittpunkt mit der neuen Ringstraße auf. Auf dem Boulevard der Metrologie haben die ansässigen Fakultäten die Möglichkeit, ihre Arbeit und Forschung dem Publikum der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt auf einfache Weise zu präsentieren. Hierfür werden entlang des Boulevard Verweilzonen mit unterschiedlichen Aufenthaltsqualitäten angelegt. So kann eine kleine Freiluft-Phänomena der Metrologie als Informations- und Erlebnisweg für Besuchende und Bedienstete gleichermaßen entstehen.

Wissenscampus – Freiräume
Der neu entstehende Wissenscampus sowie der anschließende Boulevard bilden das Herzstück der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt. Es entstehen begrünte Freiräume, welche die unterschiedlichsten Funktionen und Bedürfnisse der Besuchenden, Gäste und Bediensteten erfüllen. Einzelne Grüninseln bilden differenzierte Räume, die Platz für Spielen und Toben, biodiverse Pflanzungen und Wasserflächen bereithalten. Die Grüninseln werden von Sitzelementen gesäumt und laden zum Verweilen unter Bestandsbäumen und Neupflanzungen ein.

Der Wissenscampus wird durch drei unterschiedliche Freiräume gegliedert. Je nach Lage und Umgebung fallen diesen Freiräumen unterschiedliche Funktionen zu. Die Freifläche vor dem zukünftigen Zentralgebäude bildet das Entrée zum Wissenscampus. Dieser Platz stellt eine visuelle und räumliche Verbindung über die darauf zulaufende Sicht- und Verkehrsachse zum Empfangsgebäude der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt her. Er dient als Auftakt des Boulevards und als Vorplatz für das Zentralgebäude.

Der daran anschließende Freiraum bildet das öffentliche Herzstück des Wissenscampus. Der Campusplatz ist über das großflächig verglaste Foyer des Zentralgebäudes mit dem Vorplatz visuell und über den Boulevard räumlich verbunden. Er erschließt die wesentlichen, durch Besuchende, Gäste, Bedienstete und Auszubildende stark frequentierten Gebäude. Bei der Gestaltung des Campusplatzes wird die Topografie des Geländes genutzt, um nach Süden ausgerichtete Terrassen zu errichten. Diese dienen gleichsam als Verweilzone und Tribüne des Campusplatzes sowie als Außenterrassen für das Servicegebäude. Der gegenüberliegende Bereich des Campusplatzes wird räumlich durch das anliegende Zentralgebäude und das Ausbildungszentrum gefasst. Dieser Bereich ist multifunktional als Bühne, Pausen-, und Veranstaltungsflächen nutzbar.

Der dritte Freiraum entsteht im Innenhof zwischen der Bibliothek, dem Seminarzentrum und dem Servicegebäude. Dieser begrünte Innenhof dient als Rückzugsort und Ruheraum gleichermaßen. Der Garten im Innenhof bildet das stille Gegenstück zum lebendigen Campusplatz. Der Rückzugsbereich im Freien bietet Raum für Studium oder Stillarbeit, eine kontemplative Pause oder Erholung nach einer lebhaften Konferenz.

Wissenscampus – Gebäude
Die neuen Gebäude des Wissenscampus besetzen die Freiräume südlich und östlich des Servicegebäudes. Durch sie werden die neuen Plätze des Wissenscampus mit ihren unterschiedlichen Gestaltungen und Funktionen definiert. Es entstehen zwei gegenüberliegende Gebäudeensemble, welche über Sockelbereiche, Laubengänge und Fassadenmaterial aus rötlichem Klinker gestalterisch und funktional miteinander verbunden sind.

Der südliche Bereich um den Campusplatz wird durch das neue Zentralgebäude und das Ausbildungszentrum besetzt. Das Zentralgebäude bildet als weithin sichtbares siebenstöckiges Gebäude das Entrée zum Wissenscampus. Es steht in der Sichtachse zum Eingang des Institutsgeländes und setzt so ein klares Signal für die Besuchende und Bedienstete der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Aus brandschutztechnischen und ökonomischen Gründen wird die Höhe des Gebäudes auf sieben Geschosse begrenzt. Die Kubatur des Baukörpers passt sich der Topografie an, begrenzt den Vorplatz nach Süden und überwindet über das verglaste Foyer den Niveausprung zwischen dem Vor- und Campusplatz.

Das Ausbildungszentrum schließet sich als stark frequentierte Anlaufstelle dem Zentralgebäude an. Der angrenzende Campusplatz dient dem Ausbildungszentrum als Entrée und Aufenthaltsfläche gleichermaßen. Die Geschossigkeit der Baukörper des Ausbildungszentrums vermittelt zwischen dem dominanten Zentralgebäude und den angrenzenden Gebäuden. Ein teilweise verglaster Laubengang rahmt das Gebäudeensemble und schafft so räumliche und visuelle Beziehungen zwischen den Gebäuden und zum Campus.

Das nördliche Gebäudeensemble besteht aus dem Servicegebäude, dem Seminar- und Konferenzzentrum sowie der Bibliothek. Die Gebäude gruppieren sich um einen ruhigen Garten. Auch dieses Gebäudeensemble wird durch einen vorgelagerten Laubengang gerahmt und mit dem Bibliotheksgarten verbunden. 

Das Servicegebäude bleibt in seiner jetzigen Form bestehen, erfährt allerdings eine umfassende Aufwertung insbesondere im Bereich der Fassaden und der Freibereiche. Das Gebäude öffnet sich nach Süden zum Campusplatz und einer neuen terrassierten Freifläche. Diese dient unter anderem als Außengastronomie für das Servicegebäude.

Das Seminar – und Konferenzzentrum grenzt an den Campusplatz und öffnet sich zum Boulevard. Somit ist das Gebäude zentral gelegen und profitiert von der räumlichen Nähe zum Servicegebäude für die Versorgung mit Speisen und Getränken und der Bibliothek für die Bereitstellung von Stillarbeitsplätzen und zusätzlichen Arbeitsräumen. Das Foyer des Seminar- und Konferenzzentrums erstreckt sich über zwei Ebenen und öffnet sich zum Boulevard.

Die Bibliothek verbleibt an ihrem jetzigen Standort. So könnte im Sinne der Nachhaltigkeit der zentrale Teil der Bibliothek erhalten und aufgewertet werden. Zur Bereitstellung der erforderlichen Ergänzungsflächen wird ein Anbau auf dem Baufeld des ehemaligen Zentralgebäudes geplant.

Entwicklungsphasen
Die Entwicklung des neuen Wissenscampus gliedert sich in mehrere Phasen. Die Reihenfolge und Inhalte der einzelnen Phasen entsprechen der geforderten Dringlichkeit der genannten Projektbausteine sowie deren räumlichen Zusammenhängen.

In der ersten Phase werden die bereits geplanten und projektierten Gebäude, das Energie- und Kältezentrum sowie das Zeitzentrum errichtet. In dieser Phase können alle bestehenden Gebäude und Freiflächen in ihrer jetzigen Funktion erhalten bleiben. In dieser Phase könnte die Projektierung der Ringstraße und des Naturpfades sowie der Frei- und Aufenthaltsflächen entlang dieses Pfades erfolgen.

In der zweiten Phase erfolgt die Entwicklung des Ausbildungszentrums, da für diese Funktion eine hohe Dringlichkeit festgelegt wurde. Neben der Errichtung des Ausbildungszentrums kann zeitgleich oder zeitlich versetzt die Errichtung des neuen Zentralgebäudes avisiert werden. Neben den genannten Gebäuden sollten in dieser Phase die angrenzenden Freiräume – Campusplatz, Eingangsplatz und Terrassen – projektiert werden.

In der dritten Phase wird das alte Zentralgebäude zurückgebaut und durch ein neues Gebäudeensemble ersetzt. Hier entsteht ein Gebäudekomplex aus Bibliothek, Seminar- und Konferenzzentrum. Zeitgleich oder zeitlich versetzt kann die Umgestaltung des Servicegebäudes erfolgen. Auch in dieser Phase sollten neben dem genannten Gebäude die angrenzenden Freiräume – Bibliotheksgarten und östlicher Boulevard – projektiert werden.  

Ergänzend oder nachfolgend zu den genannten Phasen kann die Verlagerung der Feuerwache und die Entwicklung der dadurch freiwerdenden Flächen erfolgen. Des Weiteren regen wir eine Verlängerung des Boulevards bis an den östlichen Erschließungsring unter Errichtung eines definierten baulichen Endpunktes an.

Mobilität und Verkehr
Die neue Mitte wird weitestgehend von motorisiertem Verkehr freigehalten. Der motorisierte Verkehr soll überwiegend über die neue Ringstraße geführt werden. Entlang dieser Ringstraße sollen mehrere neuen Parkhäuser zur Aufnahme des ruhenden Verkehrs entstehen.

Interne Wege und Plätze innerhalb der Ringstraße sind weitestgehend Radfahrern und Fußgängern vorbehalten. Entlang dieser Wege und Plätze stehen eine Vielzahl von Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zur Verfügung. Für alle Gebäude ist die Erreichbarkeit durch Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr über befestigte Flächen gegeben.

Ökologie und Nachhaltigkeit
Zur Verbesserung und Erhalt des ökologischen Mikroklimas trägt die Errichtung von Grüninseln, Retentionsflächen und Wiesen, sowie die Bewahrung zusammenhängender Baumbestände bei. Neue Standorte für Gebäude wurden daher so gewählt, dass möglichst wenige Bäume gefällt werden müssen. Wo bestehende Bäume neuen Gebäuden weichen müssen, werden diese durch Neupflanzungen ergänzt.

Die neue Bebauung soll nachhaltig und mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck errichtet werden. Hierzu sollen, neben der umfangreichen Verwendung von ökologischen Baustoffen, genauso Dach- und Fassadenbegrünungen sowie Retentionsflächen in den Freianlagen und auf den Dächern geplant werden. Grüne Dächer mit Retentionsflächen können hierbei gut mit PV-Anlagen kombiniert werden. Hierdurch wird nicht nur die Flora und Fauna gestärkt, sondern auch der Ertrag der PV-Anlagen durch die kühlende Begrünung auf den Dächern erhöht. Der Ertrag der PV-Anlagen kann in Batterien zwischengespeichert und in den Abendstunden abgegeben werden.

Der Erhalt zusammenhängender Waldflächen ermöglicht eine sommerliche Kühlung der Liegenschaft. Sie wird durch bestehende Solitärbäume und schattenspendende Neupflanzungen unterstützt.